Besuch von der H.
Frau H. ist zur Zeit bei meiner Oma zu Besuch. Eigentlich sieht meine Oma sie lieber von hinten, aber man ist ja höflich und bietet nach jahrelangem sich-kennen auch mal ein Bett für die betagte Dame an. Betagt ist eigentlich der falsche Ausdruck. Sie scheint erstaunlich fit zu sein, sowohl vom Kopf, als auch vom Körper. Dabei ist sie wohl genauso alt wie meine Oma.
Die beiden lernten sich damals - vor 60 Jahren - kenne, als Fr. H. ein Zimmer zur Untermiete nahm.
Ich lernte sie nur als "die H." kennen. Es war die einzige Person, über die man ohne eine Anrede sprach, man nannte nur den Nachnamen. Fr. H kam auch bei uns zum nächtigen ein paar Mal zu Besuch. Sie schien nirgends richtig zu hause zu sein. Schon damals Reiste sie in de r Weltgeschichte herum und fand überall ein Bett.
Uns Kindern vermachte sie ihre Perücken. So trug sie zur Allgemeinen Belustigung bei, als ich als kleine drei-Käse-hoch zweifelte, wie man denn seine Haare abnehmen könnte und sie es uns direkt demonstrierte. Als es Bettzeit war erinnerte ich sie daran, dass sie noch ihre Zähne putzen müße.
Sie hätte gar keine, erwiderte sie. Ins Bett gehen, ohne Zähneputzen erschien mir nicht machbar. Putzen wir doch alle fleißig mit einer elektrischen Aufsteckzahnbürste. Farblich mit einem Ring markiert um Verwechslungen auszuschließen. "Du kannst alle Farben nehmen", bot ich ihr gastfreundschaftlich an, "Nur nicht die Blaue, das ist meine." Meinen Vater schüttelte es durch und durch bei dem Gedanken und er tönte aus dem Nebenraum: "Die Gelbe bitte auch nicht, das ist meine."
Ja die H. Irgendwann heiratete sie einen Kanadier, wohl um im Lande bleiben zu können. Besaß ein großes Haus, das sie Untervermietete und von dem Geld herumreiste. Ein paar Jahre später lies sie sich scheiden. Nun verbringt sie 8 Wochen im Jahr in Kanada. 4 Monate über den Winter liebt sie in Goa / Indien und den Rest reist sie herum.
Die Sprachen wären auch kein Problem. Englisch wäre doch eh Amtssprache in Indien. Ihre Putzfrau könne weder lesen noch schreiben, aber fließend Englisch. Sie selbst spreche fließend Französiosch, Englisch, Deutsch, Spanisch und ein wenig Portugiesisch und Türkisch. In Russland war sie auch schon ein paar mal, da könne sie auch ein paar Wörter.
Die Ärzte in Indien wären sehr modern eingerichtet. Alle Engländer würden nach Indien fliegen, um sich die Zähne machen zu lassen.
Über Weihnachten würde sie 15 Freunde und Mitbewohner einladen zum Essen. Jeder könne Essen und trinken, was er wolle. 80 € müße sie dafür dann aber schon zahlen....
Nach Portugal, Spanien und nach England müsse sie ja den Sommer auch noch, um Freunde zu besuchen. Flug und Aufenthaltsdaten konnte sie aus dem Kopf heraus aufzählen. Nur länger als 3 Monate dürfe sie nicht in EU-Ländern sein, sonst müsse sie Strafe zahlen. Mir ist es schleierhaft, wie sie die ganzen Flüge bezahlt.
Ein Buch müße sie doch schreiben. Ich hing, platt wie ich allerdings vom Arbeiten war an ihren Lippen. Ach, so viele Leute hätten so viele uninteressante Bücher geschrieben, die keiner lesen würde. So wichtig wäre ihr Leben nicht. Paps saß ebenso interessiert wie ich gebannt lauschend auf dem Ohrensessel neben mir und massierte meine Füße.
Oma saß derweil schweigend auf dem Sofa. Hörte geheuchelt anständig zu und fragte zwischendurch nach den Fludaten oder anderen unwichtigen Dingen.
Dabei erzählt sie so bebildert von ihrem unkonventionellen Leben.
Später mal, wenn sie nicht mehr gut laufen kann, wolle sie sich in Kanada wieder eine Wohnung suchen. es wäre teuer zu leben dort. aber dort wären die besten Ärzte, Behandlungen zu Spotpreisen und Krankenversicherung müße man auch nicht zahlen.
Zu gerne würde ich ihr Buch lesen, was sie wohl wirklich nie schreiben wird.
Die beiden lernten sich damals - vor 60 Jahren - kenne, als Fr. H. ein Zimmer zur Untermiete nahm.
Ich lernte sie nur als "die H." kennen. Es war die einzige Person, über die man ohne eine Anrede sprach, man nannte nur den Nachnamen. Fr. H kam auch bei uns zum nächtigen ein paar Mal zu Besuch. Sie schien nirgends richtig zu hause zu sein. Schon damals Reiste sie in de r Weltgeschichte herum und fand überall ein Bett.
Uns Kindern vermachte sie ihre Perücken. So trug sie zur Allgemeinen Belustigung bei, als ich als kleine drei-Käse-hoch zweifelte, wie man denn seine Haare abnehmen könnte und sie es uns direkt demonstrierte. Als es Bettzeit war erinnerte ich sie daran, dass sie noch ihre Zähne putzen müße.
Sie hätte gar keine, erwiderte sie. Ins Bett gehen, ohne Zähneputzen erschien mir nicht machbar. Putzen wir doch alle fleißig mit einer elektrischen Aufsteckzahnbürste. Farblich mit einem Ring markiert um Verwechslungen auszuschließen. "Du kannst alle Farben nehmen", bot ich ihr gastfreundschaftlich an, "Nur nicht die Blaue, das ist meine." Meinen Vater schüttelte es durch und durch bei dem Gedanken und er tönte aus dem Nebenraum: "Die Gelbe bitte auch nicht, das ist meine."
Ja die H. Irgendwann heiratete sie einen Kanadier, wohl um im Lande bleiben zu können. Besaß ein großes Haus, das sie Untervermietete und von dem Geld herumreiste. Ein paar Jahre später lies sie sich scheiden. Nun verbringt sie 8 Wochen im Jahr in Kanada. 4 Monate über den Winter liebt sie in Goa / Indien und den Rest reist sie herum.
Die Sprachen wären auch kein Problem. Englisch wäre doch eh Amtssprache in Indien. Ihre Putzfrau könne weder lesen noch schreiben, aber fließend Englisch. Sie selbst spreche fließend Französiosch, Englisch, Deutsch, Spanisch und ein wenig Portugiesisch und Türkisch. In Russland war sie auch schon ein paar mal, da könne sie auch ein paar Wörter.
Die Ärzte in Indien wären sehr modern eingerichtet. Alle Engländer würden nach Indien fliegen, um sich die Zähne machen zu lassen.
Über Weihnachten würde sie 15 Freunde und Mitbewohner einladen zum Essen. Jeder könne Essen und trinken, was er wolle. 80 € müße sie dafür dann aber schon zahlen....
Nach Portugal, Spanien und nach England müsse sie ja den Sommer auch noch, um Freunde zu besuchen. Flug und Aufenthaltsdaten konnte sie aus dem Kopf heraus aufzählen. Nur länger als 3 Monate dürfe sie nicht in EU-Ländern sein, sonst müsse sie Strafe zahlen. Mir ist es schleierhaft, wie sie die ganzen Flüge bezahlt.
Ein Buch müße sie doch schreiben. Ich hing, platt wie ich allerdings vom Arbeiten war an ihren Lippen. Ach, so viele Leute hätten so viele uninteressante Bücher geschrieben, die keiner lesen würde. So wichtig wäre ihr Leben nicht. Paps saß ebenso interessiert wie ich gebannt lauschend auf dem Ohrensessel neben mir und massierte meine Füße.
Oma saß derweil schweigend auf dem Sofa. Hörte geheuchelt anständig zu und fragte zwischendurch nach den Fludaten oder anderen unwichtigen Dingen.
Dabei erzählt sie so bebildert von ihrem unkonventionellen Leben.
Später mal, wenn sie nicht mehr gut laufen kann, wolle sie sich in Kanada wieder eine Wohnung suchen. es wäre teuer zu leben dort. aber dort wären die besten Ärzte, Behandlungen zu Spotpreisen und Krankenversicherung müße man auch nicht zahlen.
Zu gerne würde ich ihr Buch lesen, was sie wohl wirklich nie schreiben wird.
Ynnette - 29. Mai, 19:58
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