Paps
Gott, ist das nüchtern. Wie mit einmal so persönlich und liebgeschriebene Zeilen sich in Briefumschläge mit Briefmarke , Adresse und Absender verwandeln.
Ich halte inne und versuche in mich hineinzuhorchen. Es ist nciht leicht einen Gesamtüberblick zu bekommen. Es ist mehr immer die momentane Situation, die ich wiedergeben kann.
Sage ich "gut" kann es in einer halben Stunde ganz anders sein.
Auf der Arbeit habe ich Spaß und dennoch funktioniere ich irgendwie, bin angespannt.
Und endlich sind sie da. Ich hatte schon ein bisschen Sorge, dass sie nicht kommen. Insgeheim wußte ich ja , das sie Zeit kommen wird. Auch wenn es so unendlich wehtut, wenn sie kommen. Szenen , Situationen, Worte der letzten Monate (der letzten 3 Tage) dringen mir vors geistige Auge. Scheinen sich einzubrennen, als hätten sie Angst verblassen zu können. "Papa", schreit es in mir. Er fehlt.
Meine Tränen
versiegen nicht
in den Gewässern
der Selbsttäuschung,
stürzen nicht ins
Dunkel der Verzweiflung.
Sie spülen mich frei,
und von Zeit zu Zeit
schimmern sie als
kleine Perlen
der Akzeptanz des Lebens.
Kristiane Allert-Wybranietz
...überrennt einen dann, wenn man nicht damit rechnet. Wenn es nicht "passt". Sie kommt und trifft einen bis ins Mark mit ihrem Schmerz.
So passiert beim Gebet in der Kirche, anlässlich einer Hochzeit. Die Trauzeugin erinnerte an die, die nicht dabei sein können.
Ich ging kurz raus, holte Luft, schickte einen Gruß nach oben, wischte mit den Fingern die Augen, sodass die Schminke nciht verlief, holte nochmal Luft, ging rein und machte meinen Job weiter. Die Hochzeit mit Bildern festzuhalten.
... und Danksagungen wollen geschrieben werden. Gerne würde ich es noch verschieben und doch...mit Füller und Tinte nähere ich mich dem Traurigsein viel mehr als nur mit der Tastatur.
Im Nebenzimmer brennt die Kerze, das Räucherwerk glimmt. Die Musik von Wim Mertens stimmt mich traurig,, löst aber gleichsam auch so viel Erinnerung aus. Schöne Erinnerungen.

Alle konnte ich anrufen, Bescheid sagen. Nur Papa nicht. Das tat echt weh. Ich weiß, er hätte sich riesig über Gringels Tochter gefreut.
..... nee geht nicht mehr.
Blöd diese Schranke im Hirn, die erst einsetzt, wenn man versucht gewohntes und gewünschtes mit der Realität zu Verbinden.
für verschiedene Mails
das entgültige Aussehen der Danksagungskarten
Autoversicherung
anderer Versicherungsscheiß
ne Maschine Wäsche
ein Eis
kuscheln mit Merlin
Planschwanne einlassen für Ronja
Vielleicht haut die Motivation ja noch hin für bisserl aufräumen. Wohlfühlcharakter (mal abgesehn von der Untermdachwärme) hat meine Wohnung gerade nicht, obwohl ich mich total über den Sessel von Papa hier freue.
Bohnensammeln und Schrittchen-für-Schrittchen ist derzeit angesagt. Unendlich dankbar bin ich für die produktiven Gespräche mit F. Und die Zeit fürs Kuscheln wird auch noch kommen.
Gestern haben wir den Stein ausgesucht und die Schrift festgelegt. Am Woe holen wir den ausgesuchten Kram aus der Wohnung und am Mittwoch ist Großkampftag mit Sperrmüll, Sozialkaufhaus, etc. bin heilfroh, dass Tom da nen Riesenbatzen von übernommen hat.
Unabhängig voneinander haben meine Eltern ein Sterbebegleiterseminar gemacht. Meine Mutter gab mir am Freitag folgenden Text.

Dienstag, 4. August 2009
... in das Gesicht eines schlafenden Menschen schaut und das Gesicht verändert sich mit einmal, dann schaut man zweimal hin. Überlegt, ob man schläft oder träumt.
"So ist das Also", dachte ich, wovon einem so viele erzählen und schaute verwundert in Papas Gesicht.
"Ist nun alles gut?", fragte ich ihn, doch das Gesicht verwandelte sich wieder zurück. Ich drehte mich um, genoss das Gefühl und blendete den verzweifelten Verstand aus.
Nocheinmal drehte ich mich um, und noch einmal geschah die Verwandlung: Die Backen nahmen zu, das dunkle Haar wurde weiß, ein Bart wuchs. Alles schemenhaft im dunkeln. Und doch, es passierte.
Fasziniert, interessiert schaute ich mir das Gesicht eine ganze Weile an. Irgendwann war mein "Bedarf" gedeckt, ich wünschte mir das ursprüngliche Gesicht zurück, wollte den Körper umarmen.
Bewußt ging ich aus dem Zimmer und als ich wiederkam, war es, als wäre nichts geschehen.
Bereits seid Samstag sind wir am Wohnung auflösen. Freitag Abend setzten wir uns sehr gemütlich im Garten bei Antipasti zusammen und erzählten, plauderten und fühlten uns nicht alleine.
Die Kleidung in Mülltüten zu stopfen war noch eine der leichteren 2Übungen". Ein paar der Dinge haben wir uns dennoch bewahrt. Je persönlicher die bereiche werden, desto schwerer ist es und umso mehr Zeit nehmen wir uns.
Fotos brauchen ganz viel Zeit und werden irgendwann bei diversen Gläsern Wein aussortiert. Die Bootsmanpfeife aus Marinezeiten, der Degen, Eine Urkunde. Überall hängen Geschichten und Geschichten dran, die wir beim Ausmisten erzählen, oder einfach mal tief seufzen. Briefe werden zerrissen. Sie gehen uns nichts an. Die Möbel werden teils verkauft, teils einem guten Zweck zugeführt, oder doch von uns genommen.
Und überall die persönliche Handschrift von Papa. Seine ganzen Provisorien. Ob das einfach nur durch eine Kriegsgeneration kommt, weiß ich nicht. für uns ist es schlicht Papa. Schmunzeln müssen wir auch über jedes gefundenen Lavendelbeutelchen.
Die Beerdigung ist Freitag mittag und wenn wir uns nicht treffen so telefonieren T. und ich ständig um uns auszutauschen und so langsam die lange Liste "abzuarbeiten".
Gestern das Gespräch für Zeitungsanzeige und Beerdigung, morgen das Gespräch mit dem Pfarrer. Langsam, ganz langsam kommt das Zeitgefühl zurück.