Höhenrettungsübung
16 Meter. 4. Stockwerke im Treppenhaus des Übungsturmes auf der Feuerwache. Ich bin sooo stolz auf mich. Ein Exfreund sagte mal zu mir: „Ynnette, du hast Angst vor der Welt.“
Dieser Satz spornt mich manchmal an. Sicherlich habe ich einige Ängste, aber ich möchte eine Angst nicht so groß werden lassen, dass sie mein Leben beeinträchtigt.
Sicherlich beeinträchtigt es mein Leben nicht, wenn ich mich nicht von Fassaden, Mauervorsprüngen oder Felsen abseile. Aber die Überwindung einer Angst und das Gefühl etwas zu schaffen, was man sich selbst zuvor nicht zugetraut hat ist ein wahnsinniges, befriedigendes, Adrenalin gebendes Gefühl.
5 Mädels und ein Ausgebildeter Höhenretter (P.) waren wir also am Samstag. Alle von der Realistischen Unfalldarstellung der JUH. Angesetztes Übungsthema : „Höhenrettung“, um bei kommenden Übungen auch dieses Repertoire anbieten zu können.
Die 4 Mädels hatten teilweise schon Erfahrung im Abseilen, teilweise nicht, aber keine hatte Höhenangst.
Der Turm auf der Feuerwehr ist sieben Stockwerke hoch. Im zweiten wollte die Gruppe beginnen. Zur Sicherung der Seile ging es aber bis in den Fünften hoch. Die Anderen voraus, tapste ich langsam hinterher. Wer keine Höhenangst hat, kann sich die Veränderte Wahrnehmung kaum vorstellen.
Selbst bis zum Schluss lief ich leicht torkelnd um die Brüstung des Treppenhauses herum, immer nach einem Fixpunkt und Haltpunkt suchend.
Ich hatte meine Angst vorher signalisiert und alle nahmen Rücksicht auf mich. Also zuerst die anderen, dann mal weitersehen. Mit zwei Seilen doppelt gesichert, das Klettergeschirr gut angepasst seilte sich so jedes Mädel aus dem zweiten Stock.
Mein Puls stieg, der Atmen ging schneller, ein Zwicken in der Bauchgegend. Gleich also ich. Ich entschied mich für den ersten Stock zum Einstieg. P. Fragte mich kurz zuvor, was ich am liebsten Essen würde. Die Frage schien aus einer anderen Welt zu kommen. Es dauerte bis ich antwortete. Mein Kopf begann bereits komplett abzuschalten. Psychologisch spricht man hier auch von einem Tunnelblick. Ich suchte Schutz in dem Gedanken zur Not könne ich auch springen. (Was natürlich durch die Sicherung nicht gegangen wäre, aber der Gedanke war gut.)
So kletterte ich wie die Anderen über die Brüstung. Hielt mich fest. P. Straffte das Sicherungseil, gab mir so das Gefühl des Haltens. Mein Seil mit dem Achter zum Abseilen hielt ich viel zu nah am Körper. Der Gedanke, den Arm weit von mir gestreckt zu lassen war befremdlich. Doch ich vertraute den Stimmen, hockte mich ins Leere , spürte die Gurte und lies das Geländer los. Die anderen lobten und klatschten. Ein geiles Gefühl! Ich selbst übernahm die Kontrolle meines Abseilens und fasste Mut. Am Boden angekommen wollte ich direkt weiter machen. Nun vom zweiten.
Auch hier klappte es prima. Kurz stockte ich, wollte einmal bewusst runterschauen. Es war hoch, aber ich hatte keine Angst. Immer lief jemand mit, stupste einen ein wenig. Das Adrenalin betäubte, schnürte den Tunnelblick zusammen und ich fand Spaß an der Aktion.
Wieder Boden unter den Füßen bekam ich eine Urkunde versprochen. Geschirr anlassen, weiter hoch. Bis zum 6. wollten die anderen. Der Gedanke war mehr als Mulmig. Ich bat selbst ertasten zu könne, wie hoch ich die Treppen hochkommen würde. Mit ein wenig gutem Zuspruch und einer schiebenden Hand stand ich mit einmal im 4. Stockwerk. Der Blick nach unten war lang. Sehr lang, aber ich wollte es probieren.
Das Adrenalin half ich stieg erneut über die Brüstung. Dann kam das erste Mal der bewußte Blick zu dem Klettergeschirr, zu den 11mm Seilen, den Karabinern, zu P. Und zur Höhe. Nein! Runterschauen ging ab hier nicht mehr. Ich fixierte P. Der gut auf mich zu sprach, fixierte dann das Geländer. Sog noch mal alle Gurte nach, die Halt zumindest subjektiv versprachen.
Im zweiten hatte ich bewußt nach unten geschaut, um die Höhe auf mich wirken zu lassen. Hier bei 16 Metern wäre das keine gute Idee gewesen. Ich schaltete den Kopf aus, vertraute mich dem Seil und P. an und lies das Geländer los. Jubbel von der Seite. Ein aufkeimendes positives Gefühl in mir. Bewußt lockere ich meine Hände und Beine, versuche die Anspannung zu lösen. ´Die linke Hand an das Gutzeug, die rechte mit dem Ablaßseil eine Armlänge weggestreckt. Mir dem 8ter lasse ich mich ab. Das Seil beginnt mich zu drehen, was sich zunächst unangenehm anfühlt. Noch eine wirkende Bewegung, zudem ich sie nicht steuern kann. Doch auch das geht irgendwann.
Stück für Stück lasse ich mich runter und es ist sooooo geil. Wieder festen Boden unter den Füßen, zittern meine Beine und ich sehe und höre die Grundlehrgangsfeuerwehrleute, die klatschen und mich beglückwünschen. Ein Hortvater, der ebenfalls anwesend ist hilft mir die Karabiner zu lösen. Der 8er ist heiß und meine Finger gehören noch nicht mir. Meine Artikulationsfähigkeit schon gar nicht. Das Grinsen läuft mir um den Kopf. Lobende Rufe 16 Meter über mir. Diese genießend steige ich wieder hoch. Der Schweinehund sitzt kleinlaut in der Ecke und ist still. Für diesen Tag habe ich ihn besiegt. Was für ein Gefühl!
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Ynnette - 22. Sep, 10:01
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