Oma

Donnerstag, 17. August 2006

Erwachsen werden bei Oma

"Hmmm, Oma ich habe gestern im Bauernhofladen einen soo leckeren Walnußlikör gekauft"
Entsetzter Blick vom Herd mit den aufgewärmten Schmorgurken in mein Gesicht.
"So was kaufst Du?"
"Klar! Teuer, aber sehr lecker."
Der Blick geht zum Kühlschrank, die 89 jährige Hand hinterher.
"Na , dann nimm mal das hier."
Eine kleine 71ml Fläschchen Baileys wechselt den Besitzer in die jüngere Hand.
"Ohh, fein, das ist lecker."
Wieder dieser komische Blick.
"Mit so was kennst du dich aus? Na das dachte ich aber nu nich."
"Naja, ich bin ja keine 15 mehr, da darf man das schon."

Den Rest meiner Gedanken und Erlebnisse verschweige ich lieber. Und damit Oma keine Angst haben muß, dass ich einen Schwips von ihrer Gabe bekomme, verbacke ich das Baileys im Kuchen.

Sonntag, 30. Juli 2006

Pflichtbesuch

Meist tituliere ich es wirklich so, weil ich mich ehrlichgesagt selten drauf freue. doch heute war es mal interessant und Oma war relativ gut drauf. Sie erwähnte M. Tod nur einmal.....

Der Regenguss zwang mich ein wenig länger als geplant zu bleiben , doch es störte mich nicht dolle und ich lies Oma von früher erzählen. Das kann sie gut, es ist interessant was sie zu erzählen hat. Sie erzählt sehr bilderreich.
Das ist mir lieber als zu hören, wer im Bekanntenkreis mal wieder nichts aufs Klo gehen kann, wer im Sterben liegt, wielange M nun schon Tod ist, was ich alles verpasst habe, da ich kein Abitur habe, das mein Bruder noch immer keinen Doktor gemacht hat, oder wie sehr meine Mutter und Tante versagt haben.

Dabei muß ich meine Fragen geschickt stellen, damit das Erzählen von ihr auch in einer Bahn bleibt, die angenehm ist. Schnell weicht sie aus und kommt auf obengenannte Themen zu sprechen.

Als ich sie auf ihren Einsatz bei de Kinderlandverschickung anspreche löffelt sie ein wenig aufgetautes Obst, was ich mit den Resten ihres Vanilleeis vermischt habe. Es war alt das Eis und ich möchte nicht unhöflich sein. Warte also, bis das Eis sich mit dem Obstsaft vermischt hat und löffele es dann ebenfalls.

Inzwischen erzählt sie vom Arbeitsdienst. Die wollte sich woanders bewerben und wurde zur Strafe bei den "Scheinwerfermädels" eingesetzt in Mannheim. Frisch von der Uni als Ärztin und schon war sie im Norden für 500 Kinder und später für zig kranke Frauen in Mannheim verantwortlich. Dabei war sie so alt wie ich.
Bei den Frauen blieben oft die tage aus, wegen der "veränderten Lebensumstände"- (Ich frage mich nach diesen Umständen, die ja schon sehr heftig sein mussten) Dann musste sie ein Medikament 6 Wochen spritzen, und wenn die "Mädchen" Ihre Tage immer noch nicht bekamen, dann wurden sie heimgeschickt.

Einmal musste sie nach einem Flieger-Angriff zwei Tote Frauen von einer Mauer "abkratzen". "Das war schlimm!" erzählt sie und kneift dabei die Augen zu, als wolle sie die Bilder aus ihrem Kopf wegdrücken.

Den Eiscafé, den ich gemacht habe schmeckt mir nicht recht. Ich denke an die saure Milch, die ich zuvor weggeschüttet habe. Immer wieder mache ich die Erfahrung von verdorbenen Lebensmitteln im Kühlschrank und Maden in der Süßigkeitenkiste. Früher waren da immer leckere Sachen für mich drin. "Oma? Darf ich an die Schublade?" Ich durfte immer.

Heute schaue ich ab und zu mal in die Schublade im alten Nußholzregal rein, ob es was wirklich frisch gekauftes drin ist. Den Rest lasse ich lieber drin. Sie mag es nicht, wenn ich die Schublade aussortiert und die Hälfte im Müll liegt. "Ach, da ist doch noch gut." "Meinst du wirklich, das man das nicht mehr essen kann?"

Auf dem Balkon sind wir geschützt vor dem Regen. Ich genieße es draußen zu sitzen und nicht naß zu werden. "Ist dein Auto auch zu?" Schon greife ich nach dem Schlüssel und wetze runter zum Auto und mache das Dach zu.

Nun wo ich in ihrem ehemaligen Arbeitsgebiet wohne erzählt sie mir von der Arbeit auf dem Land. Eine eigenen Praxis hat sie nie besessen. Mein Opa wollte immer, dass sie sich um ihre Töchter kümmert und nur Vertretungweise, die Praxen übernimmt.

Das hat sie auch gemacht. Landärztin. "Das ist was anderes als in einem Krankenhaus. Dort hat man seine Patienten wenn es hochkommt nur 10 Wochen oder so. Auf dem Land sieht man ganze Generationen aufwachsen. Die Alten sind noch nicht weggeschickt. Die bleiben in den Familien. Man hilft jemanden und bekommt mit, was daraus wird. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich eine Praxis aufgemacht hätte. Mir hat die Arbeit immer Spaß gemacht." [ Das muß es wirklich, denn sie hat bis zum 77. Lebenjahr noch gearbeitet]
"Natürlich musste man manchmal nachts raus und hinfahren. Aber das gehört eben dazu. Heute ist das ja anders. Aber früher war das eben so. da gab es keine festen Arbeitszeiten. Und wenn ich die Uhr nochmal zurückdrehen würde. Ich würde das nochmal machen."

Dieses Pflichtbewusstsein fasziniert mich schon auf seine Art und Weise. Auch wenn ich denke, dass ein "Nein" ab und zu mal nötig ist. Doch nun begegne ich einer alten Frau, die ich immer kritischer sehe. Einerseits fasziniert von dem was sie erlebt hat. Schade, dass sie es nicht aufgeschrieben hat. Andererseits .....

Montag, 29. Mai 2006

Besuch von der H.

Frau H. ist zur Zeit bei meiner Oma zu Besuch. Eigentlich sieht meine Oma sie lieber von hinten, aber man ist ja höflich und bietet nach jahrelangem sich-kennen auch mal ein Bett für die betagte Dame an. Betagt ist eigentlich der falsche Ausdruck. Sie scheint erstaunlich fit zu sein, sowohl vom Kopf, als auch vom Körper. Dabei ist sie wohl genauso alt wie meine Oma.

Die beiden lernten sich damals - vor 60 Jahren - kenne, als Fr. H. ein Zimmer zur Untermiete nahm.
Ich lernte sie nur als "die H." kennen. Es war die einzige Person, über die man ohne eine Anrede sprach, man nannte nur den Nachnamen. Fr. H kam auch bei uns zum nächtigen ein paar Mal zu Besuch. Sie schien nirgends richtig zu hause zu sein. Schon damals Reiste sie in de r Weltgeschichte herum und fand überall ein Bett.
Uns Kindern vermachte sie ihre Perücken. So trug sie zur Allgemeinen Belustigung bei, als ich als kleine drei-Käse-hoch zweifelte, wie man denn seine Haare abnehmen könnte und sie es uns direkt demonstrierte. Als es Bettzeit war erinnerte ich sie daran, dass sie noch ihre Zähne putzen müße.

Sie hätte gar keine, erwiderte sie. Ins Bett gehen, ohne Zähneputzen erschien mir nicht machbar. Putzen wir doch alle fleißig mit einer elektrischen Aufsteckzahnbürste. Farblich mit einem Ring markiert um Verwechslungen auszuschließen. "Du kannst alle Farben nehmen", bot ich ihr gastfreundschaftlich an, "Nur nicht die Blaue, das ist meine." Meinen Vater schüttelte es durch und durch bei dem Gedanken und er tönte aus dem Nebenraum: "Die Gelbe bitte auch nicht, das ist meine."

Ja die H. Irgendwann heiratete sie einen Kanadier, wohl um im Lande bleiben zu können. Besaß ein großes Haus, das sie Untervermietete und von dem Geld herumreiste. Ein paar Jahre später lies sie sich scheiden. Nun verbringt sie 8 Wochen im Jahr in Kanada. 4 Monate über den Winter liebt sie in Goa / Indien und den Rest reist sie herum.
Die Sprachen wären auch kein Problem. Englisch wäre doch eh Amtssprache in Indien. Ihre Putzfrau könne weder lesen noch schreiben, aber fließend Englisch. Sie selbst spreche fließend Französiosch, Englisch, Deutsch, Spanisch und ein wenig Portugiesisch und Türkisch. In Russland war sie auch schon ein paar mal, da könne sie auch ein paar Wörter.
Die Ärzte in Indien wären sehr modern eingerichtet. Alle Engländer würden nach Indien fliegen, um sich die Zähne machen zu lassen.
Über Weihnachten würde sie 15 Freunde und Mitbewohner einladen zum Essen. Jeder könne Essen und trinken, was er wolle. 80 € müße sie dafür dann aber schon zahlen....

Nach Portugal, Spanien und nach England müsse sie ja den Sommer auch noch, um Freunde zu besuchen. Flug und Aufenthaltsdaten konnte sie aus dem Kopf heraus aufzählen. Nur länger als 3 Monate dürfe sie nicht in EU-Ländern sein, sonst müsse sie Strafe zahlen. Mir ist es schleierhaft, wie sie die ganzen Flüge bezahlt.

Ein Buch müße sie doch schreiben. Ich hing, platt wie ich allerdings vom Arbeiten war an ihren Lippen. Ach, so viele Leute hätten so viele uninteressante Bücher geschrieben, die keiner lesen würde. So wichtig wäre ihr Leben nicht. Paps saß ebenso interessiert wie ich gebannt lauschend auf dem Ohrensessel neben mir und massierte meine Füße.
Oma saß derweil schweigend auf dem Sofa. Hörte geheuchelt anständig zu und fragte zwischendurch nach den Fludaten oder anderen unwichtigen Dingen.


Dabei erzählt sie so bebildert von ihrem unkonventionellen Leben.
Später mal, wenn sie nicht mehr gut laufen kann, wolle sie sich in Kanada wieder eine Wohnung suchen. es wäre teuer zu leben dort. aber dort wären die besten Ärzte, Behandlungen zu Spotpreisen und Krankenversicherung müße man auch nicht zahlen.

Zu gerne würde ich ihr Buch lesen, was sie wohl wirklich nie schreiben wird.

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