Samstag, 15. November 2008

Paps, mein Umfeld und Gedanken

Die Nachbarn von gegenüber sind sowas von lieb. Wenn ich nun später nach hause komme gibt es oft keine Parkplatz mehr, da die Besucher des naheliegenden Lokals alles besetzen. Die Nachbarn haben mir nun erlaubt in ihrer Einfahrt zu parken. Damit sie mich nicht "stören" müßen, wenn sie raus wollen, haben sie meinen Ersatzschlüssel genommen um dann selbst mein auto umzuparken.

"Vorgewarnt" durch eine meiner Kolleginnen nahm sich meine Chefin viel Zeit für mich. Sie sagte: "Arbeiten kannst du noch dein ganzes Leben, aber dein Papa braucht dich jetzt" so kann ich also jederzeit, wenn ich das Bedürfnis habe zu ihm fahren und für ihn da sein. Ich bedankte mich, doch sie meinte, das wäre selbstverständlich. Ich würde doch genauso reagieren, wenn es eine meiner Kolleginnen so treffen würde.
Solche Menschen sind wirklich ein Geschenk. Ich spüre irgendwie, wer ähnliches erlebt hat, oder gerade selbst mitmacht. Die Reaktionen sind irgendwie anders. Es sprudelt manchmal aus mir heraus, Tränen kommen dazu und der Gegenüber nimmt sich Zeit. Es müßen keine schlauen Sätze kommen oder versuche des Tröstens, sondern einfach das Zuhören, das Dasein für mcih tut unwarscheinlich gut und lässt mcih im Laufe des Gespräches meine Tränen trocknen.

Gringel hat heute Geburtstag und ich freue mich auf die feier. doch ich weiß noch gar nicht, wie ich reagieren soll, wenn meine Freunde fragen, wie es mir geht. Es entsteht so eine traurige Stimmung, eine Stille, die mir furchtbar unangenehm ist. Mein Umfeld trägt das irgendwie mit mir. Ist da für mich. Doch es liegt an mir, zu signalisieren, wenn ich wieder Alltag und Gegenwart haben möchte. Das fällt mir sehr schwer. Meine Freunde lassen Paps lieb grüßen, teil kennt er sie gut und ist per Du, teils muß ich ihm erst erklären, wer da Grüße ausrichtet.

C. rief mich nun schon ein paarmal an, um zu fragen, wie es mir geht. Doch eben erst habe ich eine SMS geschrieben, dass es mir nicht gut geht, ich aber noch nicht drüber reden möchte.

Echt scheiße, mit dieser zerrissenen Familie.
Gestern lag ich auf dem Paps Bett während er Abendbrot aas und sich mit seinem Freund unterhielt. ich beobachtete ihn, wollte mir sein Gesicht einprägen. Meist fällt mir sein Alter gar nicht auf. Ein Papa ist eben immer irgendwie ein bisschen älter. Aber richtig alt? Ich weiß nicht, wann man das von seinen Eltern sagen kann. Ich glaube, dass ist ein subjektives Empfinden und hat nichts mit dem Lebensalter zu tun. Tom und ich haben auf alle Fälle festgestellt, dass unsere beiden Elternteile im Laufe der Zeit an Attraktivität um einiges dazugewonnen haben. Wir schauten Fotos aus den 70ern an und schmunzelten über die Hornbrillen, die Turmfrisuren und die Kordhosen.

Gestern liefen Paps Freund, Paps und ich über den Dachgarten des Krankenhauses. Er nahm uns beide an die Hand. Es war komisch aber irgendwie auch schön und nah. Ich weiß, dass er aus solchen Momenten zehren kann, da ihn die Nähe stärkt. Und ich mag die großen Hände. also ist es wohl auch nicht komisch oder merkwürdig. Für andere vielleicht, die uns da so laufen sehen. wir können offen über alles reden und nichts wird dem anderen krumm genommen. Das macht es leichter. Meine Tante hat ein buch geschickt mir Geschichten über den Tod. Ein esoterisches Buch. Und eine wundervolle Karte, mit einem Bild, wo ein Mensch mit erhobenen Armen in ein wunderschön gemalten helles Licht schaut. Das hängt nun an seinem Bett.
Die Ärzte haben gesagt, er soll seine "Dinge"schnellstmöglich Regeln. Ich ahne glaube noch gar nicht, was da alles dazugehört. Ich glaube auch, dass wir erst mal versuchen uns mit dem "Wort-Case" abzufinden , um uns dann über jeden Monat neu zu freuen, den er noch da ist.

Heute hat die Chemo wohl begonnen und ich werde gleich hinfahren und gucken, wie es ihm geht.

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